Wolfenbüttels Thriller-Autorin May B. Aweley im Interview

von Christina Ecker


Während sie schon als Teenager Gedichte geschrieben und Artikel für die Schülerzeitung verfasst hat, lebt sie heute in Wolfenbüttel als erfolgreiche Autorin: May B. Aweley. Fotos/Podcast: Christina Ecker
Während sie schon als Teenager Gedichte geschrieben und Artikel für die Schülerzeitung verfasst hat, lebt sie heute in Wolfenbüttel als erfolgreiche Autorin: May B. Aweley. Fotos/Podcast: Christina Ecker | Foto: Christina Ecker

Wolfenbüttel. Wenn der Sohn Parmesan im Süßigkeitenschrank findet, oder der Ehemann im Kühlschrank nach den Schlüsseln sucht, dann kann es sein, dass sie wieder inmitten eines neuen Buchprojektes steckt.


Ob Recherche oder das eigentliche Schreiben: May B. Aweley brennt für das, was sie tut: Bücher schreiben. Well, welches „american Sweetheart“ versteckt sich bloß hinter diesem hinreißenden Namen? Hat sich tatsächlich eine amerikanische und dazu erfolgreiche Autorin in unser beschauliches Wolfenbüttel verirrt? Nicht ganz. Erfolgreich? Ja. Autorin? Wieder richtig. Amerikanisch – eher nicht, sondern polnisch. Katharina, wie sie gebürtig heißt, war schon an vielen Orten zu Hause: geboren und gelebt in Polen bis sie 14 war, dann nach Berlin gezogen – lebt, liebt und schreibt sie mittlerweile seit elf Jahren in Wolfenbüttel. Aus der Stadt kann sie sich erstmal nicht mehr wegdenken – hat sie doch unlängst mit ihrem Mann hier ein Haus gebaut und lebt nun beschaulich mit ihm, zwei Kindern und ihren beiden Katzen in unserer schönen Lessingstadt.

Mutter-Kind-Kur als Inspiration


Doch warum dann ein amerikanisches Pseudonym? Und wie schreibt man überhaupt ein Buch? Ach ja und bevor man es vergisst: Buch schreiben – schön und gut, aber worüber eigentlich? Eins nach dem anderen. Zunächst verfasste Katharina unter ihrem richtigen Namen ein Buch und dann ein zweites: „Also das erste Buch war wirklich spontan, das entstand einfach so. Es handelt von einem Schwiegermutterkonflikt. Die Protagonistin hat eine Schwiegermutter, die sie nicht richtig akzeptiert und dann gibt es halt verschiedene Turbulenzen. Das zu schreiben hat sehr viel Spaß gemacht", erzählt sie. Den Anreiz dazu gab eine Mutter-Kind-Kur. Der Austausch der Mütter untereinander inspirierte. Und als Mutter einesBabys und einesKindergartenkinds nutzte Katharina jedes Zeitfenster, das sich bot und schrieb. „Dann wurde es mehr und mehr und mehr – und so wurde es tatsächlich ein Buch“, sie lacht vergnügt. War das noch ein lustig-satirisches Buch, ging das zweite eher in Richtung Drama, mit schweren und anspruchsvollen Geschichten über Menschen, die vor lebensverändernden Entscheidungen stehen. Ab dem zweiten Buch, arbeitete sie mit einem Konzept, nach dem sich Handlung und Aufbau richten sollten.

Tabu-Themen und Schreckensvorstellungen


Heute ist Katharina – Entschuldigung! May B. übrigens Thrillerautorin. „Thriller hab ich immer schon gelesen und man sagt ja, im Prinzip sollte man das schreiben, was man selbst gerne liest“, erklärt sie. Klingt plausibel. Also hat sie „Puppenbraut“ geschrieben. Das war 2013. Die Idee dazu ging mit ihrem Muttersein einher und der Frage, die wohl jedes liebende Elternteil schon beschäftigt hat: Was ist, wenn meinem Kind etwas geschieht? Entführung, Misshandlung und noch unaussprechlichereDinge? In „Puppenbraut“ wird ein Kind entführt. Und May B. Aweley scheut sich nicht, hier Dinge zu schreiben, die sich niemand – schon gar kein Elternteil – ausmalen möchte. Doch spielt die Handlung nicht hier. „Hier“ meint Deutschland. Sondern in Amerika, rund um ein FBI-Team, das ermittelt. Und das hat May B. so gut beschrieben, dass sich viele Leser mehr Bücher und vor allem mehr Fälle des besagten FBI-Teams gewünscht haben. Inzwischen gibt es mit „Existenzlos“, „Der Angstheiler“, „Lauf, Sophie“ und „Erlöse uns“ tatsächlich schon vier weitere Bände rund um die Ermittler.

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regionalHeute.de hat sich mit May B. Aweley über ihre Werke unterhalten. Foto:


Reale Krankheitsbilder und Medikation


Wer allerdings glaubt, dass sich solche Krimibücher quasi von selbst schreiben, irrt: Wahnsinnig viel und sehr gründliche Recherche sei notwendig: von Video- und Infomaterial im Internet bis hin zum klassischen Buch in der Bibliothek – das alles nutzt Katharina, um sich auf ein neues Buch vorzubereiten. Doch da hört das Forschen für sie noch lange nicht auf: Um beispielsweise Krankheitsbilder - gerade im psychologischen Bereich - und Medikation realitätsgetreu abzubilden, holt sie sich Anregungen, Tipps und Hintergrundwissen von Psychologen und anderen Ärzten. So erklärt sie:
„Ich hab den Ansporn, Sachen richtig wiederzugeben. Also man kann als Autor ja Fantasie mit einbauen, beispielsweise bei Ermittlungen: Da wird jemand geschnappt innerhalb von zwei, drei Tagen – in meinen Büchern manchmal sogar eine Woche – und in echt funktioniert das so nicht, das ist die Fantasie des Schriftstellers, damit es spannend bleibt. Und so kann das bei Medikamenten auch in die Fantasie fallen, aber mir ist wichtig, dass ich da an der Realität bin. Was ich kann, ist realitätsnah."

Beim Reden nimmt sie manchmal die Hände zur Unterstützung dazu und man merkt, gerade bei Themen, die ihr wichtig sind, unterstreichen ihre Gesten noch einmal mehr das Gesagte.

Bücherverrückte Familie


Ist die Recherche zu einem Buch abgeschlossen, erstellt May B.einen Plot. Im Hinterkopf immer die Frage, welches Bild sie beim Leser erzeugen will. Was soll der Leser an dieser oder jener Stelle denken? Sobald der Plot steht, schreibt sie los. Sie schreibe zwar situativ, aber versuche dabeiimmer das Bild mit Worten entstehen zu lassen, dassie sich vorher vorgestellt hat. Das mache sie bis zum Schluss des Buches und erzählt, dass sie meistens in der Mitte eines Buches schon die Idee für das nächste hätte: „Dann will man das lieber erforschen und recherchieren. Aber natürlich wird erst das Buch, an dem man dran ist, fertiggestellt." Sie lacht und ihre Augen funkeln, wenn sie davon spricht, wie sie schreibt. Katharina empfindet ihr früheres Hobby inzwischen als Berufung. So berichtet die studierte Betriebswirtin, die ihre Bücher selbst vermarktet, dass das Thema Bücher zu Hause omnipräsent sei. Ihr Mann habeauch ein Buch geschrieben, der Sohn lese alles, was ihm in die Hände falle und die Tochter möchte später auch Schriftstellerin werden. „Bei uns dreht sich immer alles um Bücher. Wenn ich nicht schreibe, recherchiere ich, und wenn ich nicht recherchiere, dann korrigiere ich und ja, dann gibt es Tage, an denen man die Wohnung sauber machen muss und dann hör ich Hörbücher. Also entweder man hat die Leidenschaft oder man hat sie nicht", sagt sie lachend.

New York statt Wolfenbüttel


Klingt plausibel. Stellt sich aber trotzdem die Frage, warum ihre Bücher in Amerika und nicht zum Beispiel in Wolfenbüttel spielen.
„Wir leben alle nicht dort und alles, was wir nicht haben, ist immer mit so einem gewissen Zauber verbunden, das ist die eine Sache und die andere ist: Wir sehen auch 'Tatort', und man weiß, dass dort recht langsam ermittelt werden kann; Zugriffe erfordern sehr viel juristische Arbeit und ich kann nicht reingehen und Leute einfach bedrohen als Polizei. In Amerika ist es wahrscheinlich ähnlich, die brauchen auch richterliche Verfügungen, um Türen einzutreten und Ähnliches, aber in unseren Köpfen ist es zumindest einfacher. Wir denken, das FBI taucht auf, tritt Türen ein, handelt vielleicht irgendwie actionreicher – und ob unsere Vorstellung der Realität entspricht, ist eigentlich völlig egal. Es ist wirklich nur Image, also ich erzeuge einfach Bilder im Kopf eines Lesers und welche Bilder kann ich bedienen? Also das Bild, das der Leser im Kopf zur Kripo hat, ist vermutlich ein völlig anderes als zum FBI. Was gleichzeitig auch mein amerikanisches Pseudonym erklärt."

Denn Katharina ist sich sicher, wenn sie mit deutschen NamenBücher schriebe, die in Amerika spielten, nähme ihr das niemand ab.

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Das Pseudonym kam übrigens so zustande, dass May Katharinas Lieblingsname ist. "May B." als englisches Wortspiel für "vielleicht", fand sie lustig und in "Aweley" steckt das englische "awe" für "Furcht", was ganz gut zu einer Thriller-Autorin passt. Foto:


Pseudonym als Schutzmaßnahme


Warum überhaupt ein Pseudonym? Das diene der Trennung von Privatleben und Arbeit, meint May B.. „Das, was ich schreibe, ist nicht für jeden leicht verdaulich und verschiedene Eltern sehen das natürlich auch verschieden. Und meistens wird jemandem, der solche Bücher schreibt, angedichtet, dass er auch so denkt. Was natürlich Quatsch ist", lacht sie und setzt ernster hinzu, dass das Pseudonym einfach auch ihre Familie schütze; die Kinder nicht in der Schule damit konfrontiert würden, was ihre Mutter denn denke, wenn sie "solche" Bücher schreibe. „Ich bin eine ganz normale Mutter, denk ich mir und meine Arbeit ist halt meine Arbeit und die ist getrennt vom privaten Leben. Und Pseudonym auch deshalb, weil je bekannter man wird, desto mehr Leute gibt es, die sich für jemanden interessieren." Es gäbe Menschen, die ihr ihre Lebensgeschichte schrieben, mit Bitte um Veröffentlichung und eine Art Bindung zu May B. Aweley herzustellen suchten; deswegen biete ein Pseudonym auch einen gewissen Schutz.

Selbstbewusstsein durch Vorbild


Der Büchermarkt ist hart umkämpft, es gibt viele Autoren, die ihre Werke veröffentlichen wollen, dies aber nie schaffen. Es muss doch schwer sein, genug Selbstbewusstsein zu haben, um sich trotzdem in den Autorendschungel zu wagen? Aber nicht für Katharina. In ihrem familiären Umfeld gab es bis dato hauptsächlich Juristen und Psychologen, niemand war bisher auf literarischen Pfaden gewandelt, so hatte sie weder das Bewusstsein dafür, noch das Interesse daran, welche Konkurrenz auf dem Markt herrschte. Zudem wurde ein Werk der Autorin Kerstin Gier zur Inspiration: EinBuch Giers handele von einerFrau, die eine lebensverändernde Diagnose erhält, woraufhin die Protagonistin sich von ihrem gesellschaftlichen Korsett befreit und mit ihrem Umfeld abrechnet. „Und das Buch hat mir so vermittelt: 'Mensch! Schmeiß alles über Bord, was andere dir sagen. Schreib doch einfach; mach das mal', so hab ich die Botschaft empfunden. Und dann war das Buch einfach da. „Also, wenn man so will, ist Kerstin Gier mein Vorbild", verdeutlicht Katharina.

Wie man sieht hat sich der Mut ausgezahlt: Inzwischen hat Katharina schon fünf Bücher unterihrem Pseudonym veröffentlicht. Das jüngste Werk ist "Erlöse uns".Einen kleinen Auszug daraus gibt es hier zu hören:

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Wenn andere kritisieren


Rezensionen liest Katharina übrigens alle - egal ob positiv oder negativ. Während es natürlich recht leicht falle, mit positiven Kritikenumzugehen, müsse der Umgang mit negativem Feedback erst erlernt werden, aber auch dafür hat May B. Aweley einen Weg gefunden:
„Wenn jemand eine negative Rezension schreibt, dann hat das damit was zu tun, dass mit ihm etwas passiert ist, was nicht gut ist. Oder es war ein Kollege, der mir eins auswischen wollte – denn das erkenne ich auch und dann freue ich mich, denn die negative Meinung der Konkurrenz muss man sich verdient haben; wenn es aber ein verärgerter Leser ist, dann lese ich ganz genau hin: Was hat ihn denn verärgert, dass er tatsächlich auch das Buch nicht zur Seite gelegt, sondern sich hingesetzt und die Rezension geschrieben hat. Und natürlich kommt es vor, dass ich das nachvollziehen auch nachvollziehen kann, was da geschrieben wurde."

Und das nähme sie dann auch für das kritisierte Buch oder sogar für folgende Werke mit.

Fans dürfen sich übrigens freuen: Aktuell hat Katharina gleich zwei Werke auf der Agenda.


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