Unterricht in Containern: Stadtelternrat bezieht Stellung


Der Stadtelternrat bezieht Stellung zur Diskussion um die Nutzung von Containern für den Unterricht. Foto: Max Förster
Der Stadtelternrat bezieht Stellung zur Diskussion um die Nutzung von Containern für den Unterricht. Foto: Max Förster | Foto: Max Förster



Wolfenbüttel. Aufgrund eines Konfliktes in der Raumnutzung zwischen der IGS Wallstraße und der Schule am Teichgarten, sollen ab dem kommenden Schuljahr Container als Ausweichquartiere für den Unterricht eingesetzt werden (regionalWolfenbüttel.de berichtete). Bislang ist allerdings noch nicht entschieden, ob Schüler der IGS oder Schüler der Förderschule am Teichgarten in den Containern unterrichten werden sollen. Darüber soll der Keistag im Januar entscheiden. Die Verwaltung des Landkreises hatte allerdings bereits vorgeschlagen, dass Klassen der Förderschule in den Containern unterrichtet werden. Unsere Redaktion erreichte diesbezüglich eine Stellungnahme des Stadtelternrates Wolfenbüttel, die an dieser Stelle ungekürzt und unkommentiert veröffentlicht wird.
Stellungnahme zur Entscheidung des LK Wolfenbüttel zu Umzug der Förderschule Lernen
Sehr geehrte Damen und Herren

mit Irritation hat der Stadtelternrat die Entscheidung des LK Wolfenbüttels zum Umgang mit Schülerinnen und Schüler mit dem primären sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf Lernen an der Förderschule Teichgarten zur Kenntnis genommen. Wir wollen und werden eine solche Entscheidung zu Gunsten einer sozial besser gestellten Schülerschaft nicht unkommentiert hinnehmen:
1. Die Förderschule Lernen ist eine anerkannte Schulform. Nach den neuen untergesetzlichen Regeln ist ein Auslaufen der Schulform nicht sicher. Die Schule hat somit für die nächsten Jahre bestand.
2. Die Förderschule am Teichgarten ist Schwerpunktschule für den gesamten Landkreis Wolfenbüttel. Sie ist zudem das Förderzentrum für alle inklusiv beschulten Schülerinnen und Schüler mit den sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfen Lernen, Sprache und sozial-emotionale Entwicklung. Ein solches Förderzentrum braucht Raum und Sicherheit.
3. Die Schülerinnen und Schüler der Förderschule Lernen sind von ihrer psychosozialen und sozio-ökonomischen Situation im Gesamten als stark belastet anzusehen. Hier sind entsprechende Studien bundesweit eindeutig.
4. Evident ist, dass gerade für diese Schülerschaft eine geringe Lobby in Gesellschaft, Politik und Verwaltung besteht: sind sie doch noch nicht „schwerbehindert genug“ um in die carritaiv-ganzheitliche Hochversorgung einzugehen und wird Ihnen aufgrund der häufigen prekären sozio- ökonomischen Situation der Elternhäuser wenig „Wählerpotential“ zugetraut.
5. Gerade die Schülerschaft an der Förderschule Lernen ist geprägt durch Erfahrungen der Ausgrenzung, der Absonderung, der strukturellen und materiellen Benachteiligung. Das Selbstbild und leider auch das Fremdbild dieser wertvollen Schülerschaft ist häufig negativ geprägt. Die Zukunftsaussichten sind extrem prekär!

6. Gerade darum hat diese Schülerschaft ein Anrecht auf gesellschaftliche Achtung und Wahrung ihrer bescheidenen räumlich-sächlichen schulischen Ressourcen.
7. Der beständige Schulraum im Gesamten ist für diese Schülerschaft ein evident wichtiger psycho-sozialer Protektivfaktor, der unabdingbar für eine stabile Entwicklung der sozialen Entwicklung, der Bindungs- und Lernfähigkeit ist.
8. Während in anderen Schulformen eine Unterrichtsversorgung von annähernd 100% oder deutlich darüber realisiert wird und Klassenstärken kontinuierlich über die letzten Jahre reduziert werden konnten, liegt bei der Unterrichts- versorgung von Förderschulen ein strukturelles Fehl von 20% vor! Zudem sind die Klassengrößen seit über 100 Jahren nicht mehr angepasst worden (Kielhorn (1894): „die Hilfsschule hab 1/5 der Schülerschaft der Volksschule“: 80 : 5 = 16, das ist die Teilungsgrenze der FöS Lernen)
9. Durch die Inklusion pendeln alle LK der Schule zwischen der Förderschule und dem Normalschulwesen. Erreichbarkeit und Kontinuität in der Anwesenheit der LK sind dadurch deutlich reduziert.
10. Eine Auslagerung der Klassen in Container ist daher als unzumutbar und unhaltbar abzulehnen. Diese Entscheidung des Landkreises ist für die Schülerschaft der Förderschule Lernen schädlich!
11. Die Zergliederung der Beschulung innerhalb einer Schule, die Reduktion einer Partnerklassenarbeit, die Erhöhung der negativen perzeptiven Einflüsse (Lautstärke, Temperatur) sowie die Reduktion der Bewegungsflächen (Klassengröße, Flure) ist für diese Schülerschaft deutlich schwerer zu bewältigen als für ältere Schülerinnen und Schüler einer Oberstufe.
12. Die Begründung, der Landrätin, dass „Jahrgangsteams“ zur IGS konzeptionell gehören würden und daher die Klassen an einem Ort zu sein haben ist im Oberstufensystem schlichtweg falsch. Zudem setzt ein „Jahrgangssystem“ nicht vorraus, dass die Klassen dirket beieinander liegen.
13. Die Bevorzugung einer ohnehin verwöhnten Schülerklientel (IGS) gegenüber der strukturell benachteiligten Schülerschaft einer Förderschule Lernen mit pädagogischen Alibikonstrukten zu begründen (s. Wolfenbüttler Zeitung) ohne die gesamte psycho-soziale Situation und die individuellen Förderbedarfe zu betrachten, ist traurige politische Realität geworden.
Der Stadtelternrat Wolfenbüttel fordert den LK Wolfenbüttel, die Stadt Wolfenbüttel sowie die Fraktionen im Kreistag und im Stadtrat auf, sich aktiv für die Schülerschaft der Förderschule Lernen einzusetzen und auf eine Rücknahme der Entscheidung im Schulausschuss hinzuwirken.
Der Stadt WF kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, will diese doch die IGS vom LK „zurück kaufen“.

Carl-Martin Wilken
Mitglied im Vorstand des Stadtelternrates
Aufgabenschwerpunkt: Schulentwicklung / Inklusion


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