Politisch motivierte Kriminalität steigt erneut

Die Zahl der politisch motivierten Straftaten in Deutschland ist im Jahr 2023 erneut gestiegen, nachdem bereits im Vorjahr ein neuer Höchststand erreicht worden war.

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Polizei bei verbotener Pro-Palästina-Demo (Archiv)
Polizei bei verbotener Pro-Palästina-Demo (Archiv) | Foto: via dts Nachrichtenagentur

Berlin. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten in Deutschland ist im Jahr 2023 erneut gestiegen, nachdem bereits im Vorjahr ein neuer Höchststand erreicht worden war. Insgesamt registrierten die Sicherheitsbehörden 60.028 Fälle, teilte das Bundesinnenministerium am Dienstag mit. Das ist ein Zuwachs um 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.


Mit Ausnahme des zuvor stark vom Protestgeschehen gegen die Corona-Maßnahmen geprägten Bereichs der PMK, in dem es 2023 einen erheblichen Rückgang gab, stiegen die Gewaltdelikte in allen anderen Phänomenbereichen an. Die mit Abstand höchsten Zahlen von Straftaten insgesamt, von Gewalttaten und Gewaltopfern gibt es durch politisch rechts motivierte Taten.

"Wir sehen einen neuen Höchststand von Straftaten, die sich gegen unsere offene und freiheitliche Gesellschaft richten", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Rechtsextremistische Taten hätten weiter stark zugenommen. "Und seit dem Terrorangriff der Hamas gegen Israel und dem Gaza-Krieg sind antisemitische Taten drastisch angestiegen."

BKA-Präsident Holger Münch sieht unterdessen "Radikalisierungstendenzen" in Teilen der Bevölkerung. "Diese reichen bis hin zu einer versuchten Delegitimierung des Staates und seines Gewaltmonopols", sagte er. Diese Entwicklung müsse man sehr ernst nehmen, denn sie bedrohe die Demokratie und den gesellschaftlichen Frieden. "Deswegen legt die Polizei in Bund und Ländern weiterhin eine hohe Priorität auf die Bekämpfung der politisch motivierten Kriminalität."

Die meisten politisch motivierten Straftaten im Jahr 2023 wurden im Phänomenbereich "PMK - rechts" begangen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Straftaten um ca. 23 Prozent auf 28.945 Straftaten. 1.270 davon waren Gewaltdelikte, was einer Steigerung um 8,6 Prozent gegenüber 2022 entspricht.

2023 haben die Straftaten gegen Geflüchtete erneut deutlich zugenommen. Die Polizeibehörden registrierten 2.488 Straftaten gegen Asylbewerber, darunter 321 Gewalttaten. Das entspricht insgesamt einem Anstieg um 75 Prozent, bei den Gewalttaten um 15 Prozent. Außerdem wurden 179 Straftaten gegen Asylunterkünfte registriert. Das ist eine Steigerung von ca. 50 Prozent zum Vorjahr. Fast 90 Prozent dieser politisch motivierten Straftaten gegen Asylbewerber oder ihre Unterkünfte wurden im Phänomenbereich "PMK - rechts" erfasst.

Stark angestiegen sind in diesem Jahr die Straftaten im Phänomenbereichen "PMK - ausländische Ideologie", nämlich um 33 Prozent auf 5.170 Taten, und im Phänomenbereich "PMK - religiöse Ideologie" sogar um rund 200 Prozent auf 1.458 Straftaten. In beiden Bereichen haben auch Gewalttaten deutlich zugenommen. Hier ist festzustellen, dass die Entwicklungen im Nahen Osten nach den Anschlägen der Terrororganisation Hamas gegen den Staat Israel vom 7. Oktober 2023 erhebliche Auswirkungen auf die Straftatenentwicklung in Deutschland haben.

Erkennbar ist dies auch an den antisemitischen Straftaten, die mit 5.164 Delikten (davon 148 Gewalttaten) einen neuen Höchststand erreicht haben. Der massive Anstieg (2022: 2.641, davon 88 Gewalttaten) sei vor allem auf den Anstieg nach dem 7. Oktober 2023 zurückzuführen, so das Ministerium. Insgesamt ist im Bereich der Hasskriminalität ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Diese ist im Jahr 2023 um knapp 48 Prozent auf rund 17.000 Fälle angestiegen.

Im Themenfeld "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" wurden 2023 phänomenübergreifend 1.300 Straftaten erfasst, das entspricht einem Rückgang von ca. 30 Prozent gegenüber 2022. Delikte wie Beleidigung, Nötigung und Erpressung sind teilweise deutlich zurückgegangen, was darauf zurückgeführt werden könne, dass die Sicherheitsbehörden verstärkt mit Maßnahmen gegen Personen aus diesem Spektrum vorgegangen seien, hieß es.

Die registrierten Straftaten im Phänomenbereich "PMK - links" sind um gut elf Prozent auf 7.777 Straftaten angestiegen. Die Zahl der Gewaltdelikte kletterte auf insgesamt 916 Straftaten. Etwa der Anstieg von Brandstiftungen um zwei Drittel auf 117 Delikte weise auf das erhöhte Gefährdungspotenzial der Szene hin, so das Innenministerium.

2023 wurden zudem 322 frauenfeindliche Straftaten erfasst (2022: 206), darunter 29 Gewaltdelikte. Im Themenfeld "Geschlechtsbezogene Diversität" wurden 854 Straftaten erfasst (2022: 417), 117 davon Gewaltdelikte. Im Themenfeld "Sexuelle Orientierung" wurden 1.499 Straftaten erfasst (2022: 1.005), davon 288 Gewaltdelikte.

Im Phänomenbereich "PMK - sonstige Zuordnung" ist der einzige Rückgang von Straftaten von 24.080 um gut 30 Prozent auf 16.678 Straftaten zu verzeichnen. Das sei insbesondere auf den Rückgang des Protestgeschehens im Zusammenhang mit den Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie zurückzuführen, so die Einschätzung des BMI.

Der Rückgang der politisch motivierten Gewalttaten um insgesamt ca. zwölf Prozent auf 3.561 Delikte sei ausschließlich auf den Rückgang der Gewaltdelikte im Phänomenbereich "PMK - sonstige Zuordnung" (-50,6 Prozent) zurückzuführen. In allen anderen Phänomenbereichen ist die Anzahl der Gewaltdelikte demnach 2023 gestiegen.

Die Zahl der durch politisch motivierte Gewaltkriminalität gesundheitlich geschädigten Personen ist im Vergleich zum Vorjahr um 6,0 Prozent (2023: 1.759; 2022: 1.660) gestiegen. Davon wurden 714 Personen (2022: 675) durch rechtsmotivierte Gewalt, 327 Personen (2022: 228) durch linksmotivierte Gewalt, 312 Personen (2022: 188) durch Gewalt im Phänomenbereich "PMK - ausländische Ideologie", 69 Personen (2022: 23) im Bereich der "PMK - religiöse Ideologie" und 337 Personen (2022: 546) im Phänomenbereich "PMK - sonstige Zuordnung" verletzt.

Politisch motivierte Tötungsdelikte sind um etwas mehr als das Doppelte angestiegen. Wurden 2022 noch neun versuchte Tötungsdelikte gezählt, waren es 2023 siebzehn versuchte und drei vollendete Tötungsdelikte.


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