Hilflos und verlassen? Der richtige Umgang mit Vogelbabys

von Nick Wenkel


NABU-Mitarbeiter Henning Riechers gibt Tipps zum Umgang mit Vogeljungen. Foto: Pixabay
NABU-Mitarbeiter Henning Riechers gibt Tipps zum Umgang mit Vogeljungen. Foto: Pixabay | Foto: Pixabay

Wolfenbüttel. Was mache ich, wenn ich einen vermeintlich hilflosen Jungvogel finde? Den richtigen Umgang in einer solchen Situation erklärte Hennig Riechers vom Naturschutzbund Wolfenbüttel (NABU) gegenüber regionalHeute.de. Demnach seien die meisten Jungvögel nicht so hilflos wie es scheint, sondern warten lediglich auf ihre Mutter.


Wie Henning Riechers erklärt, handelt es sich bei den vermeintlich hilflosen Tierchen um flügge Jungvögel, das heißt Jungvögel, die am Ende ihrer Nestlingszeit „normal" das Nest verlassen haben und auch schon fliegen können. Dabei sowie auch beim Verstecken stellen sie sich noch ungeschickt an, weil ihnen Erfahrung, Übung und „Feindkenntnis" fehlen. Manchmal finde man Jungvögel, die noch nicht flügge sind, die aber aus dem Nest geflüchtet sind, beispielsweise weil sie in Gefahr waren. In dem Fall haben sie dann vorschnell das Nest verlassen und gelten als sogenannte „Ästlinge". Also als noch nicht flugfähige Jungvögel, die im Geäst der Büsche und Bäume umherklettern. Aber auch diese „verfrühten" Jungtiere werden noch weiterhin von den Eltern gefüttert.

Der Mensch als Gefahr


Sollte man einen Jungvogel entdeckt haben, rät Riechers dazu, die unmittelbarer Umgebung zu verlassen: „Sie sollten sich entfernen. "Hilflos" ist in der Regel "hilflos" aus Menschensicht. Aus Vogelsicht ist das Tier gar nicht hilflos, sondern bekommt Hilfe und Futter von den Eltern, sobald die Gefahr (der Mensch) verschwunden ist", erläutertRiechers. Wenn man das Tier anfasse, passiere an sich jedoch nichts. Anders als bei Säugetierbabys nehmen die Jungvögel bei Berührung durch den Menschen keinen Menschengeruch an, zumindest nicht so, dass die Eltern später ihr Junges verstoßen werden. Aber auch hier gelte: Wer einen Jungvogel anfasst, aufhebt, betrachtet und untersucht, hält die Eltern auf Distanz und handele somit genau falsch.

„Übrigens vergessen viele Menschen zudem, was Vogeljunge empfinden, die aufgehoben werden: Sie empfinden Angst, weil sie von den in der Nähe rufenden Eltern gewarnt werden und somit verstehen, dass sie sich in einer gefährlichen Situation befinden. Und auch die Vogeleltern haben Angst, wenn sich ein Mensch ihres Jungen bemächtigt", erläutert Henning Riechers gegenüber regionalHeute.de.

Ausnahme und rechtliche Konsequenzen


Obwohl Riechers dazu rät, generell kein Vogeljunges anzufassen, gibt es dennoch vielleicht eine kleine Ausnahme. „Wenn ein Jungvogel lange Zeit auf einer Straße hockt, würde ich es nehmen und ins nächste Gebüsch setzen. Und zwar fix, in einer 5-Sekunden-Aktion, damit die Eltern anschließend wiederkommen können", erklärt er. Die Frage, ob das Anfassen eines Jungvogels vielleicht auch rechtliche Konsequenzen nach sich zieht, konnte Riechers gegenüber regionalHeute.de nicht mit Gewissheit beantworten. „Laut Naturschutzgesetz ist es verboten, Tiere der Natur zu entnehmen. Im Niedersächsischen Naturschutzgesetz (NNatG) § 35, Abs 1 steht: Es ist verboten, wildlebende Tiere unnötig zu beunruhigen, zu fangen, zu verletzen oder zu töten." Sollte man das Anfassen und Wegtragen jedoch als „Beunruhigen" beurteilen, könnten rechtliche Schritte folgen. Von einem derartigen juristischen Fall habe Riechers bisher jedoch nicht gehört.

NABU-Telefone glühen


Zahlreiche Anrufe von besorgten Bürgern bekomme die NABU regelmäßig. „Und alle behaupten, dass der Jungvogel verlassen sei. Ich selbst habe in meiner mittlerweile 25-jährigen Ornithologenzeit noch kein einziges Mal einen Fall gehabt, in dem ein Jungvogel tatsächlich ohne Eltern war", betont Henning Riechers. Das sei höchstens denkbar, wenn die Eltern verunglückt oder einem Feind zum Opfer gefallen sind. „Und selbst dann ist ja normalerweise noch ein zweiter Elternteil übrig. Kein Sperber fängt seine Beutetiere paarweise", ergänzte er.

Säuberung der Nistkästen


Doch dürfen dann eigentlich Nistkästen gesäubert werden? Laut Henning Riechers soll eine Reinigung durch die Besitzer im Herbst erfolgen, weil sich darin Parasiten befinden können. Sowieso werde das Nest kein zweites Mal verwendet. Außerdem gehen auch im Winter Vögel gern in Höhlen/Nistkästen rein, um Schutz zu suchen. Und so kann im folgenden Jahr ein neues Vogelpärchen einziehen. Wenn man den Nistkasten nicht reinigt, werde im Folgejahr einfach das Nest auf die gammelig gewordene Unterlage drauf gebaut. „So läuft es auch bei Naturhöhlen im Wald ab, die werden ja auch nicht gereinigt. Aber wie gesagt: Besser ist, wenn man das im Herbst saubermacht", erläutert Riechers gegenüber regionalHeute.de.


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