DRK: Menschen mit Asperger-Syndrom kamen am Welt-Autismus-Tag zu Wort




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Steffi Hamann (von links), Petra Kaschefski und Sylva Schlenker leiten Autismus-Zentren. Foto:



Nicht nur über Menschen mit Autismus zu sprechen, sondern diese selbst zu Wort kommen zu lassen, lautet die Intention, die sich hinter dem internationalen Welt-Autismus-Tag verbirgt. Am 2. April jährte sich dieser Tag nun zum sechsten Mal. Das nahmen die drei regionalen Autismusambulanzen aus Wolfenbüttel, Braunschweig und Wolfsburg zum Anlass, um Betroffene, Angehörige und Interessierte in die Räume der Lebenshilfe Braunschweig einzuladen.


Gut 200 Besucher erhielten an diesem Nachmittag Einblick in die Erlebniswelt von Menschen mit der Diagnose Asperger-Syndrom als einer Variante des Autismus-Spektrums. Das als Entwicklungsstörung verstandene Asperger-Syndrom zeichnet sich vor allem durch den Mangel der Fähigkeiten des sozialen Interagierens und Kommunizierens aus. Gleichzeitig besitzen Menschen mit dieser Diagnose in der Regel eine normale Intelligenz, manchmal sogar eine Hoch- oder Inselbegabung.

„Dass die Veranstaltung auf so große Resonanz gestoßen ist, hat mich sehr erfreut“, meint Petra Kaschefski, Leiterin der Autismusambulanz des Integrations- und Therapiezentrums (ITZ) Wolfenbüttel. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen Sylva Schlenker, Verantwortliche der Autismusambulanz der Lebenshilfe Braunschweig und Steffi Hamann vom Autismus – Therapie- und Beratungszentrum Wolfsburg, organisierte Kaschefski bereits zum zweiten Mal eine Aktion zum Welt-Autismus-Tag.

Die Vorsitzende des Bundesverbands autismus Deutschland e.V., Maria Kaminski, stimmte die Besucher mit ihren Grußworten auf den Nachmittag ein und lobte die vorbildliche Arbeit der drei Autismus-Therapie- und Beratungszentren der Region. „Die Einrichtung dieser Ambulanzen ist ungemein wichtig. Denn von Autismus Betroffene sollten so früh wie möglich Hilfe erhalten“, verdeutlichte Kaminski. Es müsse Anlaufstellen wie die in Wolfenbüttel, Braunschweig und Wolfsburg geben, in denen Beratung stattfindet und Menschen mit Autismus eine individuelle Verhaltenstherapie zuteilwird. „Fremdbestimmung ist nicht mehr zeitgemäß. Selbständigkeit und Entscheidungsfähigkeit autistischer Menschen lautet das Ziel der Autismus-Arbeit“, führte die Vorsitzende des Autismus-Bundesverbandes aus.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen zwei vom Autismus betroffene Referenten, die dem gebannt zuhörenden Publikum Eindrücke ihrer Erlebniswelt vermittelten, gleichzeitig aber auch mit den interessierten Zuhörern in einen Dialog traten. Dr. Peter Schmidt, ein hochintelligenter Geophysiker, war einer der Vortragenden. Er bot Passagen aus seinem autobiographischen Werk „Ein Kaktus zum Valentinstag – Ein Autist und die Liebe“ dar. Ausdrucksstark und unterhaltsam schilderte Schmidt, wie es ihm als Mann mit Asperger-Syndrom gelang, seine jetzige Frau kennenzulernen – ohne dass er zum Zeitpunkt des Kennenlernens von der Diagnose wusste.

Während Schmidt sprach, wiegte er seinen Körper permanent vor und zurück. Den Blick richtete er in der an die Lesung anschließenden Gesprächsrunde meist zu Boden. Warum er den direkten Blickkontakt meide, lautete die Frage eines Zuhörers. „Mir fällt es schwer, den Blickkontakt zu halten. Ich habe das Gefühl, ich starre mein Gegenüber an“, erklärte Schmidt. Sowieso nehme er das Publikum lediglich als „lebendige, bunte Pfosten“ wahr.

Auch Maren Haas berichtete als Betroffene des Asperger-Syndroms der Öffentlichkeit aus ihrem Alltag. Die 37-Jährige, die sich – ebenso wie Schmidt – souverän den Nachfragen der interessierten Zuhörer stellte, verdeutlichte, wie anstrengend es für Autisten sei, mit Mitmenschen zu interagieren oder zu kommunizieren. „Es ist vergleichbar mit Hochleistungssport“, erklärte Haas. Es bereite ihr große Probleme, Gefühle durch Mimik oder Gestik zum Ausdruck zu bringen. „Mich schriftlich emotional auszudrücken, funktioniert in Form von Gedichten hingegen sehr gut“, berichtete die studierte Amerikanistin.

„Die Autismusambulanzen haben den Grundgedanken des Welt-Autismus-Tages voll erfüllt“, meinte Besucherin Frauke Schmidt-Jenner im Anschluss an die Veranstaltung. „Frau Kaschefski, Frau Hamann und Frau Schlenker haben sich komplett zurückgenommen, lediglich als Sprachrohr gedient und die Vortragenden zu Wort kommen lassen“, führte die Mutter eines vom Asperger-Syndrom betroffenen Sohnes aus.

Auch unter den Zuhörern waren einige Menschen mit Asperger-Syndrom, die sich rege an der Diskussion beteiligten. „Alle hatten an diesem Tag den Mut zu fragen“, freute sich die Leiterin der Autismusambulanz aus Wolfenbüttel Petra Kaschefski. „Sogar Geschwisterkinder Betroffener haben sich überwunden und in das Gespräch eingebracht. Insgesamt herrschte eine menschliche und vertraute Atmosphäre“, sagte Kaschefski. Auch die Vorträge habe sie selbst als sehr bewegend empfunden.

Auch Besucher, die sich bislang nicht eingehender mit der Thematik Autismus beschäftigt haben, erachteten die Veranstaltung als ansprechend. „Es war interessant, so vielen Betroffenen zu begegnen und untereinander zu erleben“, sagte Diplom-Sozialpädagogin Hanna Kielblock.

Eine ganz eigene Dynamik prägte diesen Nachmittag in den Räumen der Lebenshilfe. Während der an die Vorträge anschließenden Gesprächsrunden, in der Kaffeepause und noch lange Zeit nach dem Abschluss des offiziellen Teils der Veranstaltung verweilten Besucher, Referenten und Mitarbeiter der Autismus-Therapie- und Beratungszentren im Gespräch. Menschen mit Asperger-Syndrom tauschten sich gleichermaßen aus wie interessierte Zuhörer mit den Vortragenden oder Angehörige Betroffener mit den Vertretern der Autismusambulanzen.

Auf Grund mangelnder Referenten lag der Fokus der diesjährigen Veranstaltung auf dem Asperger-Syndrom. „Auch zum nächsten Welt-Autismus-Tag wird es eine gemeinsame Veranstaltung der drei Autismusambulanzen der Region geben. Dann wird der Schwerpunkt auf dem frühkindlichen Autismus liegen“, kündigte Kaschefski an.


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