Carsten Duka: Mein Leben mit HIV

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Der Braunschweiger Carsten Duka lebt seit fast 30 Jahren mit HIV. Fotos: Anke Donner
Der Braunschweiger Carsten Duka lebt seit fast 30 Jahren mit HIV. Fotos: Anke Donner | Foto: Anke Donner

Region. Am heutigen 1. Dezember ist Welt-Aids-Tag. Ein Tag, der vor allem der Aufklärung über die Krankheit dienen soll. Das ist auch Carsten Dukas Wunsch. Der 54-Jährige lebt seit fast 30 Jahren mit HIV. regionalHeute.de hat mit ihm über seine Krankheit und über das Gefühl der Ausgrenzung gesprochen.


Carsten Duka erhielt 1989 die Diagnose HIV. Für ihn brach damals eine Welt zusammen, denn zu dieser Zeit galt das Immunschwäche-Virus als tödlich. "Ich habe die Diagnose als mein Todesurteil empfunden", erinnert sich Carsten Duka an den Tag, als er seine lebensverändernde Diagnose bekam. Den ersten Test hatte er gemacht, nachdem ihm sein Ex-Freund nach der Beziehung erzählte, er sei HIV positiv. "Der erste Test, den ich beim Gesundheitsamt in Wolfsburg gemacht habe, war noch negativ. Wobei ich eigentlich davon ausgegangen bin, dass das nicht sein kann. Schließlich bin ich mit dem Gedanken und der festen Überzeugung dort hingefahren, dass ich infiziert bin. Da ist mir erst einmal ein Stein vom Herzen gefallen. Wobei ich immer immer im Hinterkopf hatte - das kann nicht sein, vielleicht war der Test einfach noch zu früh", schildert Carsten Duka. Nur wenige Wochen später kam dann die niederschmetternde Diagnose. Den zweiten Test machte er dann in Braunschweig. Und dieser Test war positiv. "Da ist in dem Moment erstmal eine Welt zusammengebrochen", sagt der Braunschweiger.

Zehn Jahre nicht behandelt


Nach der Diagnose hat er lange mit sich gehadert. Die zehn Jahre, die vergangenen sind, bis sich Carsten Duka in ärztliche Behandlung begab, habe er gebraucht, um überhaupt mit der Diagnose klar zu kommen. Am Anfang habe sich eine Art „Scheiß-Egal-Einstellung" breit gemacht. Was soll man sich Gedanken über das Leben machen, wenn man eine tödliche Diagnose erhalten hat, fragt er sich. Übrigens ein Prozess, den viele Menschen mit HIV durchleben. Nicht selten verschulden sie sich, weiß Carsten Duka.

Carsten Duka bekam seine Diagnose 1989 - zu einer Zeit, als Aids und HIV ein noch größeres Tabuthema waren. Es war die "Krankheit der Schwulen und Fixer"."Aids bekommt man nicht, man holt es sich - ein Vorurteil, dass noch bis heute eng mit der Krankheit verbunden ist. Doch so ist es schon lange nicht mehr. Jeder kann sich mit HIV infizieren, ob Homo- oder Heterosexuell. Und man kann sich auf so vielen unterschiedlichen Wegen anstecken. Inzwischen gibt es jedoch viele Medikamente, die das Leben mit HIV ermöglichen und die dafür sorgen, dass die Erkrankung nicht unweigerlich zum Tod führt", betont Elke Kreis von der Aidshilfe Braunschweig. Und genau diese Botschaft soll in die Gesellschaft dringen. "Wir möchten, dass die Menschen so viel wie möglich über die Krankheit und die Behandlungsmöglichkeiten wissen. Wir möchten erreichen, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung wächst und dass sich Menschen testen lassen, wenn ein Verdacht besteht. Und sie sollen sich therapieren lassen, damit sie nicht in das Aids-Stadium rutschen", so Kreis.

Krankheit nie ausgebrochen


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Elke Kreis und Carsten Duka. Foto: Anke Donner



Carsten Duka kann heute, dank der medizinischer Fortschritte, gut und ohne große gesundheitliche Einschränkungen leben. Die Krankheit ist bis heute nicht ausgebrochen. Vielleicht auch deshalb, weil der 54-Jährige unter einer weniger aggressiven Form der Erkrankung leidet. "HIV kann man nicht heilen, aber man kann es gut behandeln", weiß Elke Kreis. "Was wirklich wenige Menschen wissen, ist, dass HIV-Erkrankte auch nicht selten gar nicht infektiös sind. Sobald bei einem HIV-Erkrankten die gemessene Virenmenge im Blut seit sechs Monaten unter der Nachweisgrenze liegt, ist er nicht mehr sexuell infektiös. Das heißt, dass dann keine Ansteckung möglich ist. Herausgefunden wurde das 2008 in der sogenannte EKAF-Studie. Dies ist aber nur dann der Fall, wennder Erkrankte regelmäßig antiretrovirale Medikamente einnimmt", so Elke Kreis. Würde ein HIV-Kranker die Medikament absetzen, würde die Krankheit früher oder später ausbrechen. Wann und wie, weiß man nicht. Aids ist unberechenbar und die Krankheit zeigt sich in vielen Gesichtern - und sie endet dann mit dem sicheren Tod.


Carsten Duka nimmt täglich viele Medikamente, die monatlich rund 2.000 Euro kosten. Sie werden von der Kasse übernommen. Dank der Medikamente, die noch heute mit vielen Nebenwirkungen behaftet sind, kann er ein einigermaßen normales Leben führen. Geheilt ist er nicht, das wird er wohl auch nie von sich sagen können. Denn eine vollständige Heilung von HIV und Aids ist auch nach vielen Jahrzehnten der Aids-Forschung nicht möglich. Aber die Ärzte haben seine Krankheit im Griff. Carsten gilt heute mit einer Viruslast von 20 Kopien pro Milliliter Blut als nicht infektiös - eine Übertragung der Krankheit ist nicht möglich. Dass er die Krankheit hat behandeln lassen, war nicht immer so. Zehn Jahre hat es gedauert, ehe er den Schritt machte und sich in ärztliche Behandlung begab. Die Gewissheit, dass er nicht zwangsläufig an dem Virus sterben muss, lässt ihn hoffen und weiterleben. Heute sagt er, getreu dem Motto der diesjährigen Kampagne: "Mit HIV kann ich leben". Das war nicht immer so. Manchmal habe ihn einfach der Mut verlassen. "Ich habe auch Zeiten gehabt, wo ich die Tabletten nicht mehr genommen habe und eigenständig eine Therapiepause gemacht habe. Und zwar mit dem Gedanken: Selbstmord auf Raten", sagt er ehrlich.

"Die Ausgrenzung ist das Allerschlimmste"


Als wäre die Diagnose HIV nicht schon schlimm genug, muss sich Carsten Duka bis heute mit Ausgrenzung und Vorurteilen auseinandersetzen. Am eigenen Leib hat er mehr als ein Mal erfahren, wie die Gesellschaft mit der Krankheit umgeht und wie niedrig die Akzeptanz von HIV-Kranken ist. Ob beim Zahnarzt oder bei den Physiotherapiestunden nach seiner Hüftoperation vor zwei Jahren - Carsten Duka musste sich die notwendigen Rehamaßnahmen und Behandlungen hart erkämpfen. Sobald er erwähnte, dass er HIV positiv ist, lehnten Ärzte und Therapeuten die Behandlung ab. "Die meiste Diskriminierung findet heute bei uns immer noch im Gesundheitswesen statt", sagt Elke Kreis und bezieht sich auf eine Auswertung der Deutschen Aidshilfe. Rund 20 Prozent, der von der Aidshilfe Befragten, teilten mit, dass ihnen eine medizinische Hilfe oder Behandlung verweigert wurde. Ein Zustand, den Carsten Duka und auch Elke Kreis überhaupt nicht akzeptieren können. Gerade in der Medizin sollte eine hohe Aufklärung herrschen. Moralisch sei das absolut verwerflich, rechtlich aber leider völlig legitim. Kein Arzt, Therapeut oder Pfleger könne gezwungen werden, einen HIV-Kranken zu behandeln.

Wenn Carsten Duka einen Wunsch frei hätte, dann würde er sich wünschen, dass die Diskriminierung aufhört und dass man HIV-Erkrankten ohne Vorurteile und Berührungsängste begegnet. Denn fragt man ihn, was er als schlimmer empfindet - die Krankheit oder die Ausgrenzung - so sagt er ganz klar: Die Ausgrenzung ist das Schlimmste.


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